Murgang: Im Val de Bagnes rutscht der Hang – und keiner weiss, wie lange noch


Multiple mudslides in the Val de Bagnes, Switzerland, have caused significant damage, disrupting roads, destroying bridges, and forcing evacuations, reminiscent of last year's events.
AI Summary available — skim the key points instantly. Show AI Generated Summary
Show AI Generated Summary

Im Val de Bagnes rutscht der Hang – und keiner weiss, wie lange noch

Strassen sind verschüttet, Brücken zerstört, Häuser geräumt. Im oberen Val de Bagnes im Wallis sind mehrere Murgänge ins Tal gerutscht. Die Schlammlawinen wecken Erinnerungen an das letzte Jahr.

Der Murgang verschüttete die Strasse nach Lourtier im Val de Bagnes. Cyril Zingaro / Keystone

Erst Blatten, dann das Val de Bagnes: Das Wallis hat schwierige Wochen hinter sich. Ende Mai wurde das Dorf Blatten unter einer riesigen Lawine aus Eis und Gestein begraben. Die Welt blickte fassungslos auf den kleinen Ort im Lötschental, der plötzlich keiner mehr war. Kaum waren die Bilder aus dem Wallis um den Globus gegangen, traf es den Kanton erneut. Nur wenige Tage nach der verheerenden Lawine im Lötschental am 28. Mai gingen im Val de Bagnes mehrere Murgänge nieder.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Die Dimensionen der beiden Ereignisse unterscheiden sich markant. Hier die Folgen eines Unwetters, dort die «Jahrtausend-Katastrophe». Und trotzdem: Auch im oberen Val de Bagnes tobt der Kampf gegen die Natur.

Nach heftigen Regenfällen lösten sich Anfang Juni mehrere Murgänge vom Hang und rissen Holz, Erde und grosse Steine mit sich ins Tal. Eine dieser Schlammlawinen zerstörte eine provisorische Notbrücke. Seitdem ist das Dorf Lourtier von der Aussenwelt abgeschnitten und nur noch über einen Fussgänger- und Radweg erreichbar.

Laut den Behörden ist ein Drittel des Berghanges abgerutscht, rund 30 000 bis 50 0000 Kubikmeter Material kam herunter. 30 Personen mussten ihre Häuser verlassen. Das Ausmass ist viel kleiner als in Blatten, wo neun Millionen Kubikmeter Material ins Tal rutschten. Einen Vergleich will man im Val de Bagnes auch nicht ziehen. Aber die jüngsten Ereignisse haben im Tal ihre Spuren hinterlassen.

Die Schlammlawine ruft Erinnerungen wach

«Die letzten Tage waren intensiv», sagt Pierre-Martin Moulin, der Gemeindesekretär und Leiter des Krisenstabes von Val de Bagnes. «Die psychische Belastung für die Bevölkerung ist enorm. Viele erleben erneut das, was sie schon im vergangenen Sommer durchmachen mussten. Die Wiederholung dieser Ereignisse ist emotional schwer zu verkraften.»

Bereits im Juli 2024 hatte ein Murgang das Tal in Atem gehalten. Er liess Flüsse über die Ufer treten und verschüttete teilweise die Kantonsstrasse. Damals mussten über 200 Personen ihre Häuser verlassen, der Aufruf galt auch für ein Campingplatz, für den die Massnahme bis heute gilt. Die jüngsten Schlammlawinen rufen nun Erinnerungen wach.

Ein Arbeiter versucht am 2. Juni mit einem Bagger die verschüttete Hauptstrasse nach Lourtier zu räumen. Salvatore Di Nolfi / Keystone

«Wir erhalten viele Nachrichten», sagt Pierre-Martin Moulin. In der Bevölkerung mache sich auch Wut und Angst breit. Die Gemeinde stehe im guten Dialog mit den Einwohnern und setze alles daran, den Strassenverkehr möglichst bald wiederherzustellen. Eine Bergstrasse, die nur mit Geländewagen und bei trockenem Wetter befahrbar ist, wurde mittlerweile eingerichtet, um ins Dorf zu gelangen und wichtige Güter wie Medikamente oder Lebensmittel zu liefern. «Wir beobachten die Lage und mobilisieren alles Notwendige, um zu helfen», sagt Moulin.

Etwa zwanzig Bagger und andere Maschinen sind derzeit damit beschäftigt, das Material zu entfernen, welches sich bei Le Fregnoley angesammelt hat. Die Gemeinde rechnet damit, dass es mehrere Wochen dauert, bis eine neue Sicherungsbrücke erstellt ist. Dank dem Einsatz vieler Teams sei die Lage derzeit unter Kontrolle, sagt Moulin. Doch die Situation bleibe angespannt.

«Wir wissen nicht, was der Berg noch bereithält»

Der Berg ist nach wie vor in Bewegung. Laut Moulin lösen sich in der Höhe mehrere Abbruchzonen, darunter eine, in der sich das Material täglich um zwei Meter verschiebt. «Die hohe Temperaturen führen aktuell zu starkem Schmelzwasser, das die ohnehin empfindlichen Zonen weiter destabilisiert.» Das Risiko neuer Murgänge bleibe hoch. Die Gemeinde verschärft die Sicherheitsmassnahmen. Sie verstärkt die Schutzdämme und versucht die Schlammlawinen in den vorgesehenen Kanal zu lenken. Doch jeder neue Murgang verlangt nach zusätzlichen Sicherungsarbeiten, da sich das Material am unteren Ende des Schuttkegels ansammelt. «Der Grad der Besorgnis steigt mit der Unsicherheit», sagt Moulin, «denn wir wissen nicht, was der Berg noch bereithält.»

Wurde das Risiko nach den Murgängen im vergangenen Sommer unterschätzt? Moulin verneint. In der Abbruchzone oben am Berg könne man nicht eingreifen. Im vergangenen Jahr wurden dort GPS-Geräte zur Überwachung installiert, doch die Schlammlawinen Anfang Juni waren massiver als erwartet. «Murgänge können sich plötzlich und auf unvorhersehbare Weise entwickeln.» So wurde nicht nur die provisorische Brücke nach Lourtier zerstört, die erst im vergangenen September errichtet wurde. Sondern auch die Wiedereröffnung einer wichtigen Verkehrsachse verzögert sich. Diese Strecke ist entscheidend für den Tourismus in der Region. Sollte sie nicht bald wieder befahrbar sein, wäre das für die lokalen Anbieter eine «Katastrophe», sagt Moulin. «Die Gäste stornieren ihre Buchungen, und der Tourismus im Val de Bagnes erlebt zum zweiten Mal in Folge einen Sommer mit Ausfällen.»

Es gibt jedoch Hoffnung. Das gute Wetter der vergangenen Tage hat die Lage im Val de Bagnes etwas entspannt. «Seit Pfingstsonntagabend gab es glücklicherweise keine neuen Murgänge», sagt Moulin. «Wir konnten mit den Reparatur- und Aufräumarbeiten weitermachen.» Doch die Lage bleibt fragil.

Ein neues Gewitter oder starker Regen könnte die Fortschritte wieder zunichtemachen. «Es kann tagelang ruhig bleiben, doch dann zerstört ein Sturm alles, was wir in den vergangenen Tagen erarbeitet haben», sagt Moulin. «Es ist frustrierend, aber seit dem letzten Sommer sind wir das gewohnt.» Im Tal haben sie gelernt, mit dieser Unsicherheit zu leben.

Hinter dem Schuttkegel bildet sich in der Dranse ein kleiner See. Cyril Zingaro / Keystone

Was this article displayed correctly? Not happy with what you see?

Tabs Reminder: Tabs piling up in your browser? Set a reminder for them, close them and get notified at the right time.

Try our Chrome extension today!


Share this article with your
friends and colleagues.
Earn points from views and
referrals who sign up.
Learn more

Facebook

Save articles to reading lists
and access them on any device


Share this article with your
friends and colleagues.
Earn points from views and
referrals who sign up.
Learn more

Facebook

Save articles to reading lists
and access them on any device