Porsche Taycan 4 Cross Turismo im 100.000-km-Dauertest: Fährt agil und komfortabel – und manchmal nicht


A long-term road test of the Porsche Taycan 4 Cross Turismo reveals both its agile handling and comfortable ride, alongside some software and charging infrastructure issues.
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Eigentlich gebührt dem Porsche Taycan 4 Cross Turismo der Titel "Erstes vollelektrisches Fahrzeug im 100.000-km-Dauertest bei auto motor und sport", denn er startet Ende Oktober 2022 und damit kurz vor dem BMW iX. Zu Beginn läuft alles nach Plan, zumindest, was die gefahrenen Kilometer betrifft: rund 15.000 innerhalb der ersten drei Monate – passt. Allerdings taucht bereits zu dieser Zeit im Fahrtenbuch erste Kritik an der Reichweite auf, vor allem dann, wenn der Porsche eben auch wie ein Porsche gefahren wird: zügig.

Dabei drückt die Beschleunigungszeit von null auf 100 km/h nur die halbe Wahrheit aus. Sicher, mit 5,1 Sekunden (trotz 2.350 kg Leergewicht) lässt du einen Großteil der anderen Autos um dich herum stehen. Doch mehr reizt es, einen ordentlichen Geschwindigkeitsschnitt auf der Langstrecke zu erzielen, möglichst konstant zu fahren und das scheinbar völlig widerstandsarme Rollen auszunutzen. Rekuperation? Nur auf Wunsch, nur ganz zart. Der Taycan rollt. Auf dem Brenner oben angekommen, Fahrpedal lupfen und bis zum Stiefelabsatz herunterrollen – zumindest fühlt es sich so an.

Großes Komfort-, überschaubares Platzangebot

Dazu passen der ausgewogene Federungskomfort (Zweiachs-Luftfederung mit zwei Zentimetern mehr Bodenfreiheit ist Serie beim Cross Turismo) trotz der 20-Zoll-Räder mit Mischbereifung sowie das geringe Geräuschniveau, das eher das bassbetonte Bose-Audiosystem dominiert. Mehr noch: Die 18-fach verstellbaren Sportsitze sowie die hervorragende Ergonomie sagen dir ebenfalls: fahr. Lange. Weit. Und das Platzangebot? Tja nun. Für eine 4,97 Meter lange, 1,97 Meter breite, nur 1,41 Meter hohe Kombi-Limousine überschaubar, mit vier Personen und Gepäck noch einigermaßen okay.

Achim Hartmann

Kleine Extravaganz im ergonomisch korrekten Cockpit: Tür-Zierleisten in Wagenfarbe.

Vorn links dagegen: alles bestens. Wirklich? Na, fast. Es dauert nicht lange, da meldet sich erstmals die Software des Infotainment-Systems: Die Bluetooth-Audio-Übertragung hat immer wieder Aussetzer. Löschen der Verbindung und erneutes Koppeln bringt keine Besserung. Nach einigen Telefonaten die verblüffende Auskunft von Porsche: Es sind vermutlich zu viele mobile Endgeräte mit dem Wagen verbunden – was bei fast täglich wechselnden Fahrern schon mal vorkommt. Tatsächlich: Nach dem Löschen der Liste läuft die Musik wieder störungsfrei. Weshalb das Infotainment es überhaupt zulässt, mehr als – sagen wir mal – drei Geräte zu koppeln, will Porsche nicht verraten. Zugegeben: In den wenigsten Fällen gibt es so viele verschiedene Nutzer. Ärgerlicher: der Ausfall des Mitteldisplays, über das wesentliche Funktionen wie Navigation inklusive Ladeplanung und Audioanlage laufen. Genauso ärgerlich: der blockierte Ladestecker. Nur die Betätigung der Notentriegelung hilft. Die Ironie dabei: Der Ladevorgang läuft am Schnelllader des Porsche Zentrums Garmisch-Partenkirchen. Ursache für den Fehler: unbekannt. Zum Glück bleibt das nur ein Einzelfall.

Die wichtigsten Stationen zu 100.000 km

 3.006 km:

Der mambagrüne Taycan 4 Cross Turismo tritt zum Dauertest an

 7.101 km:

Software-Update Infotainment durchgeführt

 16.900 km:

Mittleres Display ausgefallen (Neustart keine Verbesserung). Fehler tritt in Folge mehrfach auf.

 20.920 km:

Scheibe an Fahrertür macht Geräusche bei Bewegung (Spuren an Scheibe sichtbar). Sonnenblende knarzt laut beim Schwenken.

 21.753 km:

Seitenscheibe erneuert; Gelenk an Sonnenblende repariert; Software-Update

 22.467 km:

Nach Schnellladung an Porsche-Ladesäule lässt sich der Ladestecker nur über die Notentriegelung abstecken

 23.820 km:

Display Mitte und Beifahrer bleibt schwarz. Telefon, Navigation ohne Funktion

 30.141 km:

Inspektion mit Pollenfilter und Material 346,52 €; Wischerblätter vorn ersetzt 121,94 € und PCM-Modul erneuert

 54.877 km:

Fahrzeug lässt sich nicht mehr starten. Im Display wird die Fehlermeldung "Bordnetz gestört – Service notwendig" angezeigt

 54.877 km

On-Board-Charger (22 kW) erneuert und Software-Update durchgeführt

 59.960 km

Inspektion mit Pollenfilter und Material 521,14 €; Wischerblätter vorn und hinten erneuert 184,25 €

 91.447 km

Dichtung an Heckklappe oben streift/hakt zeitweise beim Öffnen am Dach

 93.360 km

Inspektion mit Pollenfilter und Material 664,02 €; Dichtung an Heckklappe geprüft (ohne Befund)

 103.047 km

Exakt 100.041 Kilometer lief der Taycan, beendet als zweites vollelektrisches Fahrzeug den Dauertest

Nur niedrige Reichweite

Was kein Einzelfall bleibt: das Hadern mit der Reichweite. Da im Gegensatz zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor das Errechnen des Testverbrauchs aus einzelnen Tankungen bei einem E-Fahrzeug zu unpräzise ist, durchläuft der Taycan in regelmäßigen Abständen die üblichen auto motor und sport-Verbrauchsmessungen. Zum Abgleich führen die jeweiligen Fahrer dennoch Buch über die geladene Energiemenge. Jedenfalls ergibt sich ein Testverbrauch von 26,4 kWh/100 km, der doch ein gutes Stück nördlich der WLTP-Angabe von 22 kWh/100 km liegt. Somit ergibt sich aufgrund des gemessenen Volladehubs eine Reichweite von 340 km, im Winter oft darunterliegend. Dafür, dass Porsche extra diese Taycan-Variante für den Dauertest ausgewählt hat, um eine möglichst hohe Reichweite zu gewährleisten, wirkt das ziemlich mau.

Peter Wolkenstein

Mehr als 430 km schafft der Taycan nicht, meist deutlich weniger, gerade im Winter.

Doch der Cross Turismo hält mit einer hohen Ladeleistung dagegen. Bis knapp über 270 kW in der Spitze ließen sich regelmäßig beobachten, weniger als 20 Minuten für eine Ladung von 10 auf 80 Prozent bleiben keine Ausnahme – wenn alles passt. Womöglich kann der Taycan nichts dafür, doch selbst wenn alle Voraussetzungen für einen fixen Ladestopp erfüllt scheinen (einstelliger SOC, Vorkonditionierung, kein Power-Split), heißt das nicht, dass sich Spitzenwerte erzielen lassen. Woran es liegt? Niemand weiß es.

Und ja, es passiert nicht nur einmal, dass die angesteuerte Ladesäule überhaupt gar nicht mit dem Porsche kommunizieren, geschweige denn ihn laden mag. Noch mal: Da im Dauertest-Fuhrpark weitere E-Fahrzeuge laufen, lässt sich klar sagen, dass das ein generelles, kein Porsche-spezifisches Problem darstellt. Soll sich die E-Mobilität durchsetzen, muss nicht die Quantität der Infrastruktur, sondern die Qualität besser werden. Bei Reisen in Nachbarländer lässt sich feststellen, dass die HPC-Dichte zwischen Zürich und Lausanne bemerkenswert hoch ist, ebenso auf dem Weg von Stuttgart nach Marseille, rund um den Gardasee dagegen eher weniger. Dort entstand übrigens das Aufmacherbild dieser Geschichte, wo sich der Porsche mit einem Sportboot von Frauscher traf, in dem der E-Antrieb aus dem Macan steckt.

Nervende Software

Stichwort Qualität: Ähnlich wie bei der Lade-Infrastruktur hapert’s auch hier beim Taycan. Das bezieht sich weniger auf die Verarbeitung, denn die stimmt, auch wenn die verwendeten Materialien nicht unbedingt in puncto Wertigkeit dem Preis des Fahrzeugs gerecht werden. Einzig die zweiteilige, feste Laderaumabdeckung gibt immer mal wieder Geräusche von sich. Vielmehr nervt die Software. Häufig beobachten Fahrer den sogenannten Spinner: jenes stilisierte Drehrädchen, das sich dreht, wenn das System hochfährt. Karten-Updates lädt es schon mal ungefragt während der Fahrt, was die Routen- und Ladeplanung zerschießt – oder die gesamte Routenführung verwundert. Bei einer Fahrt zum Nürburgring ließ das System einfach rund 60 Kilometer Wegstrecke aus. Da erscheint es nur wenig vertrauenerweckend, wenn man unter der Hand erfährt, dass die Software-Architektur auf jener der Verbrennermodelle basiert, im Elektro-Taycan aber mit deutlich größeren Datenmengen hantieren muss – und beim Jonglieren wohl öfter den einen oder anderen Kegel fallen lässt.

Hinsichtlich der Hardware gibt der Taycan jedoch alles, zumindest was das Fahrerlebnis betrifft. Und das, obwohl er gar nicht alles gibt. Wie meinen? Der ohnehin schon bescheidenen Reichweite zuliebe verzichtet Porsche bei der Ausstattung des Dauertesters auf alle Fahrwerksextras wie Hinterachslenkung, elektromechanischen Wankausgleich und Torque-Vectoring. In regulären Testwagen zählt das immer zum Ausstattungsumfang. Daher wirkt der mambagrüne Cross Turismo zunächst Kurven gegenüber etwas distanzierter als von sonstigen Taycan gewohnt, wenngleich die Agilität immer ausreicht, um sich auf herkömmlichen Landstraßen schwindelig zu fahren. So stellt sich hinsichtlich der Fahrwerksabstimmung rasch Gewöhnung ein, hinsichtlich des Lenkgefühls weniger. Es bleibt für Porsche-Maßstäbe zu wenig transparent bei etwas zu hohem Lenkmoment-Aufwand.

Jonas Greiner

Ein defekter 22-kW-On-Board-Lader legte den ganzen Taycan lahm, somit musste ein Abschlepper gerufen werden.

Letzterer fällt nach gut der halben Dauertest-Distanz ganz besonders hoch aus, denn die Servounterstützung bleibt fern – mitsamt dem Rest des Antriebs. Eigentlich sollte nur in der Garage umgeparkt werden, rund eine Stunde, nachdem der Porsche an eine der dort installierten Wallboxen gehängt wurde. Doch er wollte nicht. Offenbar lag es am optionalen 22-kW-On-Board-Lader, der daraufhin getauscht wurde – und der bis heute nicht mehr zu bestellen ist.

Wegen dieses und der anderen Werkstatt-Aufenthalte, vor allem aber wegen der im Alltag oft überschaubaren Reichweite fuhr der Taycan erst nach dem BMW über die 100. 000-km-Ziellinie. Dabei fing alles so gut an.

Kein Raum für Überraschungen

Zum Abschluss des Dauertests checken die Experten der GTÜ den Porsche auf außergewöhnlichen Verschleiß, prüfen Bremse und Fahrwerk und ermitteln den Wiederbeschaffung.

auto motor sport

Die Software erlaubte sich viele Sperenzchen – Bremse, Fahrwerk und Lenkung sind dagegen einwandfrei.

Neben dem Handling-Talent des Taycan überzeugte uns der Porsche mit einer hohen Verarbeitungsqualität und einer überaus soliden Materialauswahl. Viel mehr als ein leicht speckiges Lenkrad kann auch GTÜ-Ingenieur Richard Stoll nicht monieren. Und eine Etage tiefer? Auch alles bestens. Nicht einmal Flugrost ist zu sehen – dank Alu-Fahrwerksteilen. Auch gut: Die Akkuabdeckung und so auch die Batterie hat Porsche während der vielen Werkstattstopps nie angetastet. Zu Testbeginn hatten wir ein paar Schrauben markiert, die Striche sind unverändert. Am Ende ermittelt Herr Stoll einen Schätzpreis von 60.575 Euro. Angesichts des Testwagenpreises zum Start von 126.759 Euro ein vergleichsweise akzeptabler Wertverlust von 52 Prozent. Der kürzlich verabschiedete BMW iX, ein ähnlich teurer Stromer, lag bei fast 55 Prozent.

auto motor sport

Neben dem Handling-Talent des Taycan überzeugte uns der Porsche mit einer hohen Verarbeitungsqualität und einer überaus soliden Materialauswahl.

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