Stand: 20.05.2025, 09:30 Uhr
Von: Anna Liebelt
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Vier Jahre lang war Franz Neuner aus Antholing (Gemeinde Baiern) auf der Walz. Jetzt ist der 27-jährige Zimmerergeselle in sein Heimatdorf an der Grenze zum Landkreis Rosenheim zurückgekehrt. Über 120 Freunde, Nachbarn und Bekannte haben auf ihn am Ortsrand gewartet: „Es war ein wahnsinniges Gefühl!“
Antholing – Mit fein verzierten Wanderstäben und runden Bündeln über den Schultern spazieren die Rolandsbrüder am Straßenrand. Am Horizont flimmert der markante Kirchturm von Antholing, Gemeinde Baiern (Kreis Ebersberg), in der Nachmittagssonne. Für Franz Neuner ist die Heimat jetzt nur noch ein paar Schritte entfernt – je näher er dem Ortsschild kommt, desto schneller schlägt sein Herz.
„Ich habe mich brutal auf daheim gefreut. Es war ein wahnsinniges Gefühl“, erzählt der 27-jährige Zimmergeselle von dem Moment, als er seine Familie zwischen all den sehnsüchtig wartenden Menschen am Ortsrand ausmacht. Über 120 Freunde, Nachbarn und Bekannte haben sich dort versammelt, um den jungen Mann zu begrüßen, ihn endlich in den Arm zu nehmen. Franz Neuner war vier Jahre nicht mehr hier.
Er war auf der Walz, durfte sich seinem Heimatort bis auf 60 Kilometer nicht nähern, hatte kein Handy und kaum Kontakt zu seinen Liebsten. Das sind die Regeln bei den Rolandsbrüdern, der Gesellenvereinigung, der sich der junge Zimmerer einst angeschlossen hat. Umso herzlicher fällt an diesem Nachmittag die Willkommensfeier aus, als der 27-Jährige endlich über das Antholinger Ortsschild kraxelt – so will es die Tradition.
Zwei Tage nach dem Trubel lehnt Neuner an der Fassade seines Elternhauses und schaut in den heimischen Garten. „Es wird noch ein bisserl dauern, bis ich mich wieder einfinde. Ich bin immer noch total reizüberflutet.“ Ein ungewohntes Gefühl, plötzlich angekommen zu sein. Schließlich ist es das Fernweh, das ihn am 25. Juli 2021 auf die Walz zieht. Von Italien und Frankreich über das Saarland bis nach Ostfriesland und weiter ans Nordkap: Überall werkelt Neuner bei lokalen Betrieben. So lernt er im Allgäu das Schindeln, in Südfrankreich restauriert er ein Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert. Und in Südtirol baut er eine Almhütte auf 2000 Metern Höhe.
Bis zu drei Monate bleibt er in einer Region, kommt meist bei Mitarbeitern unter, ehe es ihn weiterzieht. „Es war eine brutale handwerkliche Bildung. Durch die Walz habe ich viel dazugelernt – auch über mich selbst.“ In Tagebüchern hält er seine Erlebnisse fest, lässt sich die Wappen seiner Stationen in sein Wanderbuch stempeln. „Dort stehen auch meine Arbeitszeugnisse drin“, erklärt er und tippt mit dem Finger auf den ledernen Bucheinband. „So kann sich jeder einen Eindruck über mich und meine Arbeit machen.“
Mehr zum ThemaDrei Jahre ohne Handy – dafür mit Tagebuch: Jasmin (29) ist als Handwerkerin auf der WalzIst der 27-Jährige mal nicht beschäftigt, reist er mit den Rolandsbrüdern umher. Per Anhalter und zu Fuß streifen sie durchs Land. „Wir sollen möglichst kein Geld ausgeben“, sagt Neuner über die strikten Regeln der Gesellenvereinigung. Nicht selten schläft er mit seinen Kameraden daher unter freiem Himmel, auf Parkbänken, unter Brücken. „Man gewöhnt sich schnell dran.“ Einmal habe ihn der Manager eines Wiener 5-Sterne-Hotels für zwei Nächte eingeladen. „Ich konnte mich aber nicht ins Bett legen. Ich hab von der weichen Matratze Rückenschmerzen bekommen“, sagt er und muss lachen. Ein anderes Mal kam er im Franziskanerkloster in Salzburg unter, in Mecklenburg-Vorpommern darf er mit einem Kumpanen in einem Originalwagen des Orientexpresses übernachten, der dort in einem Museum ausgestellt ist.
Es sind diese Museumsleiter, Hotelchefs, Mönche und Wirte, die seine Wanderschaft besonders machen. „Die Menschen sind total freundlich und hilfsbereit“, sagt Franz Neuner. „Man muss nur offen sein.“ Und wenn es doch mal zu einer brenzligen Situation kommt, sind da immer noch seine Wanderkameraden. „Denen vertraue ich blind.“
Seinen Rolandsbrüdern bleibt er auch nach seiner Heimkehr eng verbunden. „Es sind gute Freundschaften entstanden“, sagt er. „Ich möchte mich mit einigen unbedingt wieder treffen.“ Doch ehe er erneut seine Tasche packt, will sich der Heimkehrer erst wieder ins Dorfleben einfinden. Seine Gesellenkluft hat er schon gegen Lederhose und Trachtenleiberl getauscht. „Ich muss jetzt noch Oma besuchen. Die hat mich noch nicht gesehen“, gesteht er. „Und abends geh ich zum Platteln.“
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