Mit einem grossen Militärmanöver hat China diese Woche den Konflikt mit dem demokratischen Inselstaat simuliert. Längst gehört zur Kriegsvorbereitung aber auch eine flächendeckende Propaganda.
Als Chinas Volksbefreiungsarmee diese Woche erneut den Krieg mit Taiwan probte, sandte sie nicht nur ihre neusten Kampfflugzeuge, Raketenstreitkräfte und Marineschiffe. Das Manöver wurde auch von einer Propagandakampagne begleitet: Sieben Video-Clips veröffentlichte sie gleichzeitig, strategisch lanciert in allen Parteiorganen und auf Social Media. Sie sollten viral gehen bei den chinesischen Millennials, jener Generation also, die im wehrfähigen Alter ist. Diese jungen Menschen sollen auf eine blutige Auseinandersetzung mit der «abtrünnigen Provinz» eingeschworen werden.
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Und dies geschieht wenig subtil. «Ausrottung des Bösen» lautet der zynische Titel eines der Videos, die sich rasant im chinesischen Internet verbreiteten. Darin sieht man Animationssequenzen aus «Black Myth Wukong», dem wohl erfolgreichsten Videospiel Chinas der letzten Jahre. Dessen Held, ein magischer Affenkönig aus dem historischen Roman-Klassiker «Die Reise nach Westen», fliegt wie ein Superheld durch die wolkenverhangenen Lüfte. Parallel dazu werden Aufnahmen von Kampfflugzeugen geschnitten, die zu orchestraler Musikuntermalung von einem Flugzeugträger abheben.
Die Flugzeuge steuern auf Taiwan zu, nehmen wahlweise die Wolkenkratzer der Hauptstadt Taipeh sowie nicht näher spezifizierte Fabrikanlagen ins Visier. Dann feuern sie ihre Raketen ab – und hinterlassen nichts als Zerstörung. Der potenziell blutige Konflikt: inszeniert als triviales Computer-Game.
中國官方正式宣傳片? 我一直不懂,中國的影視製作水準也沒有那麼差,軍隊出的東西為什麼永遠停留在小學水準??? pic.twitter.com/1B1D3AGAUk
— Yao Zhang 張堯 🇨🇦 (@yaozhang02) April 1, 2025
Selten zuvor hat die chinesische Propaganda ihre Kriegstreiberei so unmittelbar zur Schau gestellt. Dabei handelt es sich längst nicht mehr um ideologisch aufgeladene Indoktrination, wie sie noch zu Zeiten Maos üblich waren. Stattdessen beherrscht Chinas Parteiführung die Internet-Ästhetik der Generation Z, die mit ironischem Unterton, Memes und knalligen Untertiteln hantiert. Doch das Ziel ist dasselbe wie früher: Ein möglicher Krieg gegen Taiwan soll für die Jugend des Landes attraktiv gemacht, moralisch legitimiert und als essenzielle Notwendigkeit für Chinas nationale Entwicklung dargestellt werden.
Zu dieser Strategie gehört auch die gezielte Entmenschlichung der Taiwaner, die es wagen, Chinas Herrschaftsanspruch infrage zu stellen. Besonders hart trifft es den Präsidenten William Lai, der im Diskurs Pekings stets als «separatistisches Element» bezeichnet wird. Der 65-Jährige wurde in einem animierten Kurzvideo als «Made» dargestellt, die von einer allmächtigen Hand mit Essstäbchen über eine Flamme gehalten und bei lebendigem Leib grilliert wird.
Über die Untertitel wird die morbide Botschaft des Clips noch auf die Spitze getrieben: Der ehemalige Harvard-Student wird dort in Nazi-Manier als «Parasit» beschimpft, der Taiwan vergiftet, aushöhlt und nun aktiv «seine ultimative Zerstörung herbeiführt». Dabei handelt es sich um eine klassische Täter-Opfer-Umkehr: Der Staatschef des kleinen Nachbarn, der nur sein Land vor einer Invasion schützen möchte, ist im chinesischen Narrativ der eigentliche Agent Provocateur.
Video #3 features an animation of Taiwanese president Lai as a "parasite poisoning Taiwan island," "parasite hollowing Island out," (with Lai throwing his opponents in jail and grabbing money), and finally "parasite courting ultimate destruction," with Lai being "burned" by PLA… pic.twitter.com/HwPNVqAUDH
— Lyle Morris (@LyleJMorris) April 1, 2025
Pekings aggressive und verrohte Kriegsrhetorik könnte auch mit der derzeitigen geopolitischen Lage zusammenhängen. Möglicherweise wittert Chinas Parteiführung eine historische Chance: Der neue US-Präsident Donald Trump stellt nämlich die amerikanische Solidarität mit Taiwan immer wieder öffentlich in Zweifel und hat zuletzt die Insel mit 32-prozentigen Zöllen belegt: Sobald Xi Jinping zur Auffassung kommt, dass die USA im Falle eines Konflikts Taiwan nicht zu Hilfe eilen werden, dürfte die Zukunft des demokratischen Inselstaates besiegelt sein. Denn ohne Unterstützung von aussen würde Taiwan maximal einige Wochen bestehen können gegen die chinesische Volksbefreiungsarmee.
Ein wichtiger Schutz, über den Taiwan derzeit verfügt, ist seine Halbleiterindustrie. Sowohl China als auch die USA sind auf die in Taiwan hergestellten Chips angewiesen. Doch wie lange wird der «Silizium-Schutzschild» halten?
Für den mittlerweile 71-jährigen Xi, Chinas mächtigsten Führer seit dem Staatsgründer Mao Zedong, ist die Eingliederung Taiwans ins Mutterland «der Kern von Chinas Kerninteressen»: unantastbar, nicht verhandelbar. Wer sich mit westlichen Diplomaten in Peking unterhält, hört oft, dass der Parteivorsitzende seine Vision noch zu Lebzeiten umsetzen will. Der Horizont für einen Krieg mit Taiwan: zehn Jahre, maximal fünfzehn.
Doch Xi steht dabei vor der Herausforderung, seine Bevölkerung für einen Konflikt begeistern zu müssen, der für die meisten Chinesen trotz Videospielen am Ende abstrakt bleibt. Selbst die patriotischsten Eltern dürften nicht sonderlich erfreut darüber sein, ihren – aufgrund der Ein-Kind-Politik – oftmals einzigen Sohn in einen Krieg zu schicken. Zumal dieser dort dann sein Gewehr auf Taiwaner richten müsste, also die eigenen Landsleute.
Pekings Spin-Doktoren behelfen sich unter anderem damit, Taiwaner als Marionetten der USA darzustellen, die es zu befreien gilt. Zudem bedient sich die Kommunistische Partei einer weiteren Täter-Opfer-Umkehr. Als Zhang Xiaogang, Sprecher des Verteidigungsministeriums in Peking, am Mittwoch die Militärmanöver der Volksbefreiungsarmee erklärte, sprach er von einer «wirksamen Abschreckung» gegenüber taiwanischen Separatisten, «die absichtlich einen Krieg herbeizuführen versuchen». Die Parallelen zu Putins Narrativ im Ukraine-Konflikt sind offensichtlich.
Seit der Gründung der Volksrepublik haben die führenden Generäle des Landes «kognitive Operationen» stets als essenziellen Bestandteil der Kriegsführung betrachtet. Der Sicherheitsexperte Scott W. Harold von der Rand Corporation mit Sitz in Kalifornien prognostizierte ursprünglich für einen möglichen Ernstfall drei Propaganda-Botschaften ans chinesische Volk.
«Erstens würden die Parteiorgane den Eindruck erwecken, dass eine Invasion Taiwans nicht nur populär ist, sondern vielleicht sogar von der Öffentlichkeit gefordert wird. Zweitens würde Peking gleichzeitig versuchen, den Eindruck zu erwecken, Taiwan habe es zum Handeln gezwungen. Die chinesische Regierung würde die Bevölkerung drittens davon überzeugen wollen, dass Drittparteien, die sich einmischten, nur die Wiedervereinigung verhindern und Chinas Aufstieg eindämmen wollten.»
Spätestens seit dieser Woche sind all die Prognosen des Experten bereits eingetroffen. Die Volksbefreiungsarmee mag zwar den Konflikt gegenüber Taiwan bislang nur in Militärmanövern simulieren. Doch der Informationskrieg der chinesischen Propagandamaschinerie läuft bereits auf Hochtouren.
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