Die US-Regierung erklärt die Hochschulen zum Feindesgebiet und will sie gefügig machen. Wissenschafter sprechen von «Gleichschaltung». Wie bei Putin soll nur noch erlaubt sein, was einer «patriotischen Erziehung» dient.
«Die Universitäten sind der Feind», sagte der heutige US-Vizepräsident JD Vance bereits im November 2021. «Wir müssen ernsthaft und aggressiv die Unis in diesem Land angreifen.» Nun setzt die Trump-Regierung dieses Programm mit aller Macht um.
Weltweit bekannte Professoren wie die Faschismus- und Osteuropa-Experten Jason Stanley, Timothy Snyder und Marci Shore sprechen drastisch von «Gleichschaltung» und einem drohenden «Bürgerkrieg» in den USA. Sie verlassen die Universität Yale, eine der renommiertesten Bildungsstätten der Welt, und wandern nach Kanada aus.
Kommt es zu einem Exodus der universitären Cracks aus dem «Land of the Free»? Was schon deshalb bemerkenswert wäre, weil die USA in den Jahren der Hitler-Diktatur Top-Gelehrte aus Deutschland, Österreich oder Italien wie Hannah Arendt, Max Horkheimer oder Albert Einstein aufnahmen und nicht zuletzt deshalb zur führenden Forschungsnation aufstiegen.
Bereits in der ersten Amtszeit Trumps wollten viele Lehrkräfte das Land verlassen. Damals blieb es bei Absichtserklärungen. Jetzt machen einige Starprofessoren Ernst, wohl wissend, dass viele Länder auch in Europa um sie buhlen. Der Geschichtsphilosoph Jason Stanley wechselt aus Protest von Yale an die eher unbekannte Munk School of Global Affairs & Public Policy der Universität Toronto.
Auslöser ist, wie er in einem Interview mit der «Zeit» sagt, der Druck der US-Regierung auf die Unis und besonders auf die New Yorker Columbia University und deren Einknicken. Er wolle, wie er in angelsächsischen Medien schreibt, seine Kinder nicht in einem Land grossziehen, «das auf eine faschistische Diktatur zusteuert».
Das Historikerpaar Marci Shore und Timothy Snyder betont derweil, dass in ihrem Fall vor allem «persönliche Gründe» den Ausschlag gaben. Doch habe die «amerikanische Katastrophe», so Shore, bei ihrer Entscheidung auch eine Rolle gespielt. Tatsache ist: Trumps Krieg gegen «feindliche Institutionen, die das Wissen unserer Gesellschaft kontrollieren», ist in vollem Gange.
Das National Institute of Health, weltweit der grösste Geldgeber für medizinische Forschung, strich Universitäten bereits Gelder in Milliardenhöhe. Die National Science Foundation, die generös Bildung und Forschung finanziert, fahndet inzwischen sogar in längst bewilligten Projekten nach Worten wie «Diversität» oder «trans». Trump entzieht der University of Pennsylvania einen Fünftel der Bundesmittel, solange sie trans Athleten in ihren Sportmannschaften duldet.
Besonders unerbittlich trifft die präsidiale Abrissbirne Fächer, die mit Geschichte, Politik, Gender oder Klimawandel zu tun haben. Dort vermutet man Brutstätten für alles, was woke, divers, feministisch, antikolonial, propalästinensisch oder klimabewusst, also abgrundtief verhasst, ist.
Bei uns hält sich der Aufschrei über das Vorgehen gegen die US-Eliteunis in Grenzen. Manche empfinden Trumps Offensive gegen Intellektuelle und elitäre Bildungstempel vielleicht sogar als gesunde Reaktion auf nervige woke Debatten, Palästinademos oder Forderungen nach gendergerechtem Schreiben. Wer so denkt, verkennt aber die wahre Dimension der gegenwärtigen Attacke auf das Bildungssystem und auf vermeintlich antiamerikanisches Denken.
Erschreckend ist, dass es auch in den USA und selbst an den Unis kaum Protest gegen deren Gleichschaltung gibt. Man ist eingeschĂĽchtert und duckt sich, nachdem Trump der Columbia University 400 Millionen an Bundesgeldern gestrichen hat und sie weiter unter Druck setzt.
Dabei ist die Unileitung wie jene der andern Top-Hochschulen längst eingeknickt. Man schwieg feige, als ein unbescholtener ausländischer Columbia-Absolvent mit gültigen Papieren wie ein Schwerverbrecher eingesperrt wurde. Er soll ausgeschafft werden, nur weil er an einer Demo gegen den Gaza-Krieg teilnahm. Ähnlich erging es einer türkischen Doktorandin in Massachusetts.
Trump droht geradeheraus, er streiche allen Hochschulen die Bundesmittel, die illegale Proteste zulassen. Die «Agitatoren würden inhaftiert und in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt. Der US-Präsident erpresst im Moment die Unis nach Gutdünken, ignoriert ihre Autonomie, tritt die akademische Forschungsfreiheit mit Füssen, schloss gar das Bildungsministerium, das etwa für Uni-Stipendien zuständig ist.
Vor Tagen verkündete Trump siegessicher, die Hochschulen würden allesamt auf die Knie gehen. Das ist es, was er will, sagt Philosoph Jason Stanley, Autor des Bestsellers «Wie Faschismus funktioniert», im Gespräch mit dem «Spiegel». In der Faschismus-Theorie gebe es immer wieder «das Motiv des faschistischen Führers als Gangsterboss».
Trump handle nach einer «Mafialogik»: Man solle Loyalität zeigen, den Ring küssen. Wer jedoch nicht kämpfe, habe schon verloren. Würden die rund 6000 US-Hochschulen eine Kampagne zur Verteidigung der Bildung und Forschung starten, stünden die Chancen, so Stanley, gut, dass Trump nachgeben müsste. Stattdessen nehmen die Unileitungen die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit in Kauf.
Die US-Regierung behauptet, die Unis würden jüdische Studierende nicht ausreichend gegen propalästinensische Aktivisten schützen. Doch dieses Argument dient nur «als Vorwand, um einen unverhohlenen Angriff auf politisch Andersdenkende und auf die Unabhängigkeit der Universitäten zu rechtfertigen», halten fast 3000 jüdische Professorinnen und Professoren in einem offenen Brief fest.
Es geht der Regierung um Deutungshoheit, die man nicht länger den Fachleuten überlässt. Selbst bei der Ernennung von Lehrkräften will man mitreden. Wie der Stanford-Professor Adrian Daub im «Spiegel» schreibt, weiss die US-Regierung einflussreiche konservative Sponsoren und Ehemalige in den Eliteunis hinter sich, die schon lange gegen alles lobbyieren, was nach woke klingt.
Trumps Machtriege setzt gegenwärtig, wie der Historiker Timothy Snyder betont, ihre eigene Version der Geschichtsschreibung durch. Sie dealt mit dem historischen Wissen, lässt weg, was nicht passt, schönt sich alles zurecht. Am krassesten und machtvollsten versucht man die Geschichte bei der traditionsreichen Smithsonian Institution umzuschreiben, zu der bedeutende Museen und 14 Bildungs- und Forschungseinrichtungen vor allem in der Hauptstadt Washington gehören.
Vize Vance soll als oberster Museumshüter darüber wachen, dass nicht länger «amerikanische Werte» herabgewürdigt werden. So sollen auch Denkmäler von Südstaaten-Generälen, die im Sezessionskrieg für den Erhalt der Sklaverei gekämpft haben, wieder Strassen und Pärke zieren. Die Sklaverei soll kein Schandfleck mehr im Geschichtsbild sein.
Überall verordnet Trump die «Wiederherstellung von Wahrheit und Vernunft in der amerikanischen Geschichte» und verlangt die Entfernung «unangemessener, spaltender oder antiamerikanischer Ideologie» aus den geschichtsträchtigen Museen und Unis. Zu sehen sein soll nur, was einer patriotischen Erziehung dient. Damit übernimmt Trump die Methoden Putins.
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