Serie «Finanzföhn» - Amrize-Börsengang: Wie mit dem «Trumpschen Wahnsinn» umgehen?


This article analyzes the Amrize IPO, considering its attractiveness despite potential negative impacts from Trump's trade policies and currency risks.
AI Summary available — skim the key points instantly. Show AI Generated Summary
Show AI Generated Summary

Amrize-Börsengang: Wie mit dem «Trumpschen Wahnsinn» umgehen?

«Finanzföhn» Michael Föhn beleuchtet die wichtigsten Titel im Zentralschweizer Aktienmarkt. Heute: Ist es klug, sich am Holcim-Spin-off Amrize zu beteiligen?

Brückenschlag zwischen den USA und Kanada: Für den Bau der Gordie Howe International Bridge kam Zement von Holcim beziehungsweise des Spin-offs Amrize zum Einsatz. Bild: Amrize

Vor gut zwei Monaten hatte ich einen ersten Artikel zum Amrize-Börsengang fertig – verschob diesen dann aber, als ich von den Gerüchten zu Trumps Plänen am 2. April hörte. Die Gerüchte waren derart besorgniserregend, dass ich in der Folge zahlreiche meiner US-Aktien verkaufte. Zu Recht, wie sich alsbald zeigte. Trumps Zollhammer war jenseits von Gut und Böse, um es mit Nietzsches Worten auszudrücken. Und Amrize? Beurteile ich heute anders.

Dabei wäre das Holcim-Spin-off Amrize im Prinzip attraktiv. Es hat eine ähnliche Ebitda-Marge wie Holcim (26 Prozent bei Amrize, 24 Prozent bei Holcim), und auch die Margen beim operativen Cashflow sowie beim Free Cash Flow ähneln sich stark. Auch die Amrize-Bilanz braucht sich nicht zu verstecken: Die Eigenkapitalquote wird nach dem Börsengang 56 Prozent betragen (Holcim: 51 Prozent); die zukünftige Verschuldung ist mit 5,5 Milliarden US-Dollar angemessen, der voraussichtliche jährliche Schuldzins wird 250 bis 300 Millionen betragen – für Amrize problemlos stemmbar.

Hinweis der Redaktion

Der 1972 geborene Schwyzer Michael Föhn sammelte vor der Jahrtausendwende bei Reuters erste Erfahrungen im Finanzwesen. Seit 2016 beschäftigt er sich hauptsächlich mit den Geschehnissen am Aktienmarkt. In dieser Rubrik beleuchtet er Zentralschweizer Aktientitel. Der Autor ist kein professioneller Anlageberater. Seine Ansichten sind seine persönliche Meinung und stellen nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion dar. Inputs an finanzfoehn@luzernerzeitung.ch.

Hohe Margen winken

Ebenso wichtig ist ein Blick in die Erfolgsrechnungen der dreissig grössten US-Konkurrenten von Amrize. Dieser Blick zeigt, dass die US-Baustoffkonzerne allesamt margenstark sind (durchschnittliche Ebitda-Marge: 23 Prozent). Aufsehenerregend ist ihr Umsatzwachstum: Durchschnittlich beträgt das Umsatzwachstum dieser US-Baustoffunternehmen über 10 Prozent pro Jahr (CAGR, gerechnet über die letzten fünf Jahre). Zum Vergleich: Der Umsatz von Holcim wuchs in den letzten fünf Jahren lediglich um 3 Prozent pro Jahr. Offenbar wachsen diese US-Aktien im Umsatz viel schneller als die normalen Value-Aktien wie Holcim oder Nestlé. Die Börse belohnt dieses hohe Wachstum wiederum mit höheren Kursgewinnen, so stieg beispielsweise der Kurs des US-Baustoffherstellers Builders FirstSource seit 2020 um über 460 Prozent an (Holcim im selben Zeitraum: 140 Prozent). Dass kaum einer dieser US-Baukonzerne wirklich nennenswerte Dividenden bezahlt, ist daher vernachlässigbar. Zwischenbilanziert heisst dies, dass heutige Holcim-Aktionäre mit der 1:1-Zuteilung gut fahren dürften (eine neue Amrize- plus eine Holcim-Aktie für eine bisherige Holcim-Aktie).

Doch jetzt müssen wir leider über Präsident Trump sprechen, das ist unumgänglich. In William Shakespeares Tragödie «Hamlet» findet der königliche Ratgeber Polonius zu den eigenartigen Ideen seines Schützlings Hamlet die diplomatischen Worte: «Ist es Wahnsinn, so hat es doch Methode». Wir hingegen vermögen keine Methode in dem Zollchaos, das Präsident Trump angerichtet hat, zu erkennen. In den ersten Tagen nach der Trumpschen «Zoll-Show» kam es gar zu einem Ausverkauf bei den US-Staatsanleihen, die Renditen sprangen urplötzlich nach oben – ganz entgegen der eigentlichen Marktlogik. Wie konnte das sein? Nun, seit der kurzen Amtszeit der ehemaligen britischen Premierministerin Liz Truss gibt es das geflügelte Wort «Moron Risk Premium». Mit anderen Worten: Die Anleihengläubiger forderten im Falle von Truss eine zusätzliche «Trottel-Risiko»-Aufschlagsrendite. Und genauso verhält es sich nun mit Trump: Seine Handlungen sind für die Börsenteilnehmer rational nicht erklärbar, ergo steigen die Renditen der US-Staatsanleihen.

Amrize bleibt trotz Trump attraktiv

Was heisst das nun für uns? Ich gehe zwar davon aus, dass Trump die meisten seiner Zölle irgendwann wieder einkassieren wird – zu schädlich sind sie für die US-Wirtschaft. Aber bis dahin entfalten sie ihre volle Wirkung. Amrize hat beispielsweise 50 Prozent seiner Lagerstätten für Aggregate (Schotter, Sand, Kies) in Kanada. Hier ist unklar, was für einen Einfluss dies auf das zukünftige Arbeitsumfeld hat. Ganz allgemein wirken die vielen Zölle inflationsfördernd, was auch den Bau insgesamt verteuern wird. Die Folgen sind Rezession und für den Durchschnittsamerikaner das Gefühl, sich weniger leisten zu können – was wiederum die Bautätigkeit verlangsamen wird. Dazu kommt die Migranten-Ausweisung durch die Trump-Administration, sie wird das Arbeitskräfteangebot im Bausektor verkleinern.

Ginge es nur um Amrize, würde ich die Aktie trotzdem langfristigen Anlegern empfehlen – so attraktiv schätze ich das US-Baustoffsegment ein. Zudem sprechen drei weitere Punkte für Amrize. Erstens: Obwohl die Amerikaner derzeit über die hohen US-Hypothekarsätze klagen und somit der Häuserbau stagniert, zwingt die zukünftige Demografie die Wirtschaft zu Investitionen in den Häuserbau (der Schweiz nicht unähnlich). Zweitens: Gleiches gilt für die US-Infrastruktur, hier sind bis 2030 grosse Ausgaben vonseiten der US-Regierung und der US-Wirtschaft anberaumt. Drittens: Amrize wird eine Börsenkapitalisierung von mindestens zirka 25 Milliarden Franken haben und ist somit neben CRH «der Platzhirsch» in diesem Segment. Und «size matters», wie der Amerikaner sagt, sowohl bei der Preisgestaltung als auch bei den Margen.

Vergesst das Währungsrisiko nicht

Doch wir Schweizer sind als einziges Land der Erde von zwei Seiten unter Beschuss: zum einen durch eine drohende Stagnation der US-Wirtschaft aufgrund der Zölle, zum anderen durch eine Aufwertung unserer eigenen Währung gegenüber dem Dollar. 10 Prozent hat sich der Franken gegenüber dem US-Dollar bereits innerhalb eines Jahres aufgewertet. Wer US-Aktien im Portfolio hält, kann ein Lied davon singen – er verliert, in CHF zurückgerechnet, ständig Geld. Das kann nur durch hohe Dividenden oder starke Kursentwicklungen der Basiswerte ausgeglichen werden. Auch die Doppelnotierung der Amrize-Aktie in Zürich wird daran nichts ändern – allfällige Schwankungen zwischen $ und CHF werden die Arbitrage-Händler einkassieren, so meine Prognose. Denn der Amrize-Umsatz wird hauptsächlich in den USA in Dollar erwirtschaftet, darüber müssen sich Schweizer Anleger im Klaren sein. Wer trotzdem nach dem Amrize-Börsengang dazukaufen will, sollte dies in New York tun. Die Doppelnotierung in Zürich wird nach einer gewissen Übergangszeit vermutlich aus Kostengründen wegfallen, zudem dürften die Spreads in New York aufgrund der höheren Volumina kleiner sein.

Fazit

Meine Empfehlung lautet also: Vorsichtige und kurzfristige Anleger sollten die Amrize-Aktie nach der Zuteilung im Juni verkaufen, zu gross sind die Risiken der laufenden Trump-Zoll-Show und die damit verbundenen Währungsrisiken. Mit der 1:1-Zuteilung wird Holcim meiner Meinung nach aktuell unterbewertet, Amrize überbewertet. Das ist aus meiner Sicht nicht fair und wird Druck auf den Amrize-Kurs ausüben. Die bei einem Verkauf frei werdenden Mittel könnte man beispielsweise in Gold-ETFs anlegen (in CHF), Swisscanto hat da einen sicheren mit dem ZGLD im Angebot.

Für langfristige Anleger lautet meine Empfehlung auf ein (zukünftiges) Hold für Amrize nach dem Börsengang – es ist nämlich durchaus möglich, dass sich nach den Zwischenwahlen in anderthalb Jahren alle Zölle wieder in Luft auflösen, was der US-Wirtschaft und dem Dollar Auftrieb geben könnte. Ich selbst werde sowohl Holcim als auch Amrize im Portfolio halten, denn durch das Spin-off geht man auch den Weg der lobenswerten Diversifikation. Und das hat nun wirklich Methode.

Offenlegung des Autors

Ich habe offene Aktienpositionen in folgenden im Text genannten Unternehmen: Holcim, Nestlé, CRH, ZGLD. Ich stehe in keiner Geschäftsbeziehung zu einem in dem Artikel erwähnten Unternehmen.

Mehr Artikel dieser Gemeinden

Was this article displayed correctly? Not happy with what you see?

Tabs Reminder: Tabs piling up in your browser? Set a reminder for them, close them and get notified at the right time.

Try our Chrome extension today!


Share this article with your
friends and colleagues.
Earn points from views and
referrals who sign up.
Learn more

Facebook

Save articles to reading lists
and access them on any device


Share this article with your
friends and colleagues.
Earn points from views and
referrals who sign up.
Learn more

Facebook

Save articles to reading lists
and access them on any device