«Forbes» listet inzwischen 205 indische Milliardäre. Vor 25 Jahren waren es noch keine 10.
Jedes Jahr im Frühling, wenn «Forbes» seine Liste mit den weltweit reichsten Personen herausgibt, beugt sich die indische Öffentlichkeit darüber und zählt nach: Wie viele Milliardäre hat Indien? Eine Gesellschaft, in der ein paar wenige unendlich viel Reichtum besitzen und die grosse Masse gar nichts, schaut da genau hin.
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Für 2025 zählt «Forbes» 205 indische Milliardäre, 5 mehr als im letzten Jahr – ein Rekord. Im Jahr 1988 stand gerade einmal ein Inder auf der «Forbes»-Reichenliste, im Jahr 2000 waren es 9. Zwischen 2010 und 2020 wuchs die Zahl der Milliardäre schliesslich stark: von 47 auf 102. In den letzten fünf Jahren hat sich diese Zahl sogar nochmals verdoppelt.
Mukesh Ambani ist mit 92,5 Milliarden Dollar nicht nur der reichste Inder, sondern einer der reichsten Menschen weltweit. Er besitzt ein Firmenkonglomerat und ist unter anderem im Rohstoffhandel tätig. Der Infrastrukturunternehmer Gautam Adani ist mit 56,3 Milliarden Zweitplatzierter.
Beide Männer haben im letzten Jahr international Schlagzeilen gemacht. Adani geriet im Herbst ins Visier der New Yorker Staatsanwaltschaft. Sie erhebt schwere Korruptionsvorwürfe gegen die Adani Group, weil das Unternehmen zwischen 2020 und 2024 in grossem Stil Schmiergeld gezahlt haben soll, um in Indien überteuerten Solarstrom zu verkaufen. Die Adani-Aktien stürzten darauf ab.
Auf Mukesh Ambani wurden die Medien aufmerksam, weil die Raffinerien seiner Reliance Industries massenhaft russisches Rohöl verarbeiten. Dieses wird an den westlichen Sanktionen vorbei nach Indien transportiert und landet schliesslich in Form von Diesel und Benzin wieder im Westen. Gemäss der europäischen Denkfabrik Crea hat Reliance Industries im letzten Jahr durch die Verarbeitung von russischem Öl rund 700 Millionen Euro Gewinn erzielt. Trotzdem fiel die Reliance-Aktie, unter anderem wegen tieferer Margen im Raffinerie- und Petrochemiegeschäft.
Die 205 indischen Milliardäre besitzen gemäss «Forbes» zusammengerechnet 940 Milliarden Dollar. Mehr als ein Drittel davon entfällt auf die zehn Reichsten, die somit im Schnitt etwas mehr als 30 Milliarden Dollar besitzen.
Indien ist ein Land, wo sich immer schon enormer Reichtum konzentriert hat. Sultane und Maharadschas, die den Subkontinent regierten, gehörten zu den reichsten Herrschern, die die Welt gesehen hat. Auch der reichste Mann der Welt vor dem Zweiten Weltkrieg war ein Inder: Osman Ali Khan alias Asaf Jah VII., der letzte Nizam von Hyderabad. Der muslimische Herrscher soll noch reicher gewesen sein als John D. Rockefeller, aus dessen Ölgeschäften 1870 die Standard Oil Company hervorging.
Rockefeller stieg 1916 zum ersten Dollar-Milliardär der Weltgeschichte auf. Ali Kahn war es damals vermutlich bereits. Er war Herrscher nicht nur über ein stattliches Gebiet, sondern auch über die Golconda-Diamantminen im Godavari-Krishna-Delta, die sich im heutigen Gliedstaat Andhra Pradesh befanden. Damals war er weltweit einer der wenigen Diamantlieferanten.
Die Nachfahren der Fürsten und Könige sind auch heute noch fester Bestandteil der indischen High Society. Über die Vermögen der königlichen Nachfahren ist allerdings wenig bekannt. Der ehemalige indische Adel erscheint kaum auf der «Forbes»-Liste. Hier befinden sich vielmehr Industrielle, IT- und Pharmaunternehmer, Grosshändler, Nahrungsmittelhersteller sowie global operierende Schmuck- und Kleiderfabrikanten.
Die reichsten Inder auf der Liste haben eines gemeinsam: Bei fast allen begann der Aufstieg in den 1990er Jahren, nachdem Indien endlich Wirtschaftsreformen verabschiedet und das Land liberalisiert hatte. Geht man diesen beeindruckenden Unternehmergeschichten nach, finden sich allerdings in nicht wenigen Fällen Verstrickungen mit der Politik. Von der «Billionaires Raj» wird gesprochen, der Herrschaft der Milliardäre.
Wer versucht, die Verflechtungen zwischen Unternehmern und Politikern offenzulegen, wird in Indien schnell mit Sanktionen belegt. So wurde bereits im Jahr 1998 die Publikation eines Buches über Dhirajlal Ambani, von dem der Sohn Mukesh Ambani Firmen und Vermögen erbte, in Indien verboten. Er war mutmasslich Indiens erster Milliardär. Recherchen über korruptes Gebaren dieser Superreichen werden nicht selten in ausländischen Zeitungen publiziert.
Die indische Opposition wirft Premierminister Narendra Modi vor, ihm nahestehende Geschäftsleute zu protegieren. Dank ihrer Nähe zur Regierung haben Gautam Adani und andere in wichtigen Bereichen quasi eine Monopolstellung erhalten.
Doch längst nicht jeder auf der «Forbes»-Liste profitiert von einem Monopol. Dieses Jahr neu in den Kreis der Milliardäre schaffte es zum Beispiel der Gründer und CEO des Mitfahrunternehmens Ola, das in Indien so beliebt ist wie Uber. Der 39-jährige Bhavis Aggarwal ist ein Kind des Mittelstands und studierte Computerwissenschaften. Im Gegensatz zu anderen indischen IT-Talenten wanderte er nicht in die USA aus, sondern gründete in seinem Heimatland Startups.
Im vergangenen August brachte er Ola Electric, das unter anderem Elektroroller herstellt, an die Börse. Bereits 2018 bezeichnete ihn das Magazin «Time» als einen der 100 einflussreichsten Menschen. Aggarwal verkörpert die neue Generation der indischen Selfmade-Milliardäre.
Eine Studie des World Inequality Lab von 2023 gibt einen weiteren Einblick in die Vermögen reicher Inder. Die Autoren stützen sich unter anderem auf Steuerdaten. Sie gehen davon aus, dass die reichsten 0,001 Prozent ein durchschnittliches Vermögen von umgerechnet rund 215 Millionen Franken besitzen. Das sind nur gerade 9200 Personen.
Das reichste Prozent (9,2 Millionen erwachsene Personen) besitzt ein durchschnittliches Vermögen von gut 500 000 Franken. Im Vergleich: In der Schweiz ist das Durchschnittsvermögen des reichsten Prozents 20 Millionen Franken, also vierzig Mal so viel wie in Indien.
In Indien besitzen die 10 Prozent Reichsten 65 Prozent aller Vermögen. Das ist ein ähnlich hoher Wert wie in westlichen Ländern. Aber in Indien haben die unteren 50 Prozent der Bevölkerung kaum Erspartes und mit durchschnittlich 700 Franken pro Jahr auch fast kein Einkommen.
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