Die diese Woche verabschiedete «Big Beautiful Bill» wird den amerikanischen Schuldenberg noch einmal stark erhöhen und die schwächelnde Währung weiter unter Druck setzen. Den Chinesen kann das nur recht sein. Ihnen ist die Dominanz des Dollars ohnehin ein Dorn im Auge.
«Wir haben ein Währungsproblem», sagte Donald Trump vor einem Jahr in einem Interview mit dem Magazin «Bloomberg Businessweek». Der Dollar, so der damalige Präsidentschaftskandidat, sei zu stark, andere Währungen zu schwach. Dies sei «eine enorme Belastung» für Amerikas Unternehmen. «Wir befinden uns in einer sehr schlechten Position.»
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Und es scheint, als würde Trump, seit er Präsident ist, alles tun, um dieses «Problem» zu lösen. Der Dollarkurs ist seit Anfang Jahr regelrecht abgestürzt. Ganze 11 Prozent hat er im Verhältnis zu anderen bedeutsamen Währungen verloren, so viel wie seit über fünfzig Jahren nicht mehr. Ein weiterer Absturz ist möglich.
Es ist eine Entwicklung ganz nach Trumps Geschmack. Schliesslich verbilligt der sinkende Kurs den Export von amerikanischen Produkten ins Ausland. Und er verteuert gleichzeitig den Einkauf von ausländischen Waren. In der Konsequenz sinkt das von Trump so verhasste US-Handelsbilanzdefizit – ein Ziel, das der Präsident bereits seit Jahrzehnten verfolgt.
Aber es sind nicht nur die Zölle und Trumps chaotische Handelspolitik, die den Wert des Dollars drücken. Auch die «Big Beautiful Bill», die der Kongress diese Woche verabschiedet hat, schwächt den Greenback weiter. Am Freitag an den Feierlichkeiten zum Tag der Unabhängigkeit lobte Trump das Haushaltsgesetz als «beliebtestes Gesetz in der Geschichte des Landes». Es umfasst die grössten Steuersenkungen in der amerikanischen Geschichte und die höchsten Einsparungen. «Und wir spüren nichts davon!», so frohlockte er.
Das ist Unsinn. Mit diesem Budget wird die Schuldenlast um 3,4 Billionen Dollar (das sind 3400 Milliarden Dollar) in den nächsten zehn Jahren erhöht, wie das unabhängige und überparteiliche Committee for a Responsible Federal Budget schätzt. In der gleichen Periode könnte die Schuldenquote von heute 124 auf 143 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. Schon heute müssen die USA – pro Tag – rund 3 Milliarden allein für die Zinszahlungen des Schuldenbergs zahlen. Kein anderer Budgetposten ist höher, nicht einmal die Ausgaben fürs Militär oder für das Sozialwesen.
Ängstlich schauen Experten auch, wie Trump die Unabhängigkeit des Fed, der amerikanischen Zentralbank, torpediert. Dabei wäre es die Hauptaufgabe des Fed, die Stabilisierung der Preise zu gewährleisten und die Erwerbstätigkeit hoch zu halten, frei von politischen Interessen. Der Fed-Präsident Jerome Powell versucht zumindest, Trump Paroli zu bieten.
Kann der Dollar mit diesen Belastungen und dem schwindenden Vertrauen in die US-Regierung überhaupt noch die dominierende Währung sein?
Sollte der Dollar seine Position an der Spitze des internationalen Währungssystems verlieren, hätte dies unabsehbare Folgen für Amerikas Rolle als Supermacht. Dem grossen Rivalen China ist der Dollar mit all seinen Vorzügen, von denen die Vereinigten Staaten profitieren, ohnehin schon länger ein Dorn im Auge. Zusammen mit anderen Staaten des globalen Südens versuchen sie die Dominanz des Dollars im Welthandel zu brechen. Heute Sonntag findet ein Brics-Gipfel in Brasilien statt. Doch dazu später mehr.
«Die Rolle, die der Dollar in den vergangenen Jahrzehnten für die Weltwirtschaft gespielt hat, ist einmalig», sagt Edward Fishman, ehemals hochrangiger Mitarbeiter im US-Aussenministerium und heute an der Columbia University. «Der Dollar ist die wichtigste Währung als Speicherwert, als Zahlungsmittel oder als Rechnungseinheit.»
Rund 90 Prozent aller internationalen Transaktionen in Fremdwährungen weltweit werden in Dollar abgewickelt. Wenn ein Unternehmen aus Indonesien mit einer Firma in Malaysia ein Geschäft abschliesst, dann handeln sie höchstwahrscheinlich in Dollar – und nutzen die amerikanische Infrastruktur, die um die Währung aufgebaut wurde. Deshalb ist die amerikanische Währung auch die globale Leitwährung.
Zudem gelten US-Staatsanleihen, also Gelder, die der amerikanische Staat auf dem Kapitalmarkt aufnimmt, als das sicherste Anlageinstrument der Welt. Kein Wunder also, dass der Dollar etwa 60 Prozent aller von Zentralbanken gehaltenen Währungsreserven ausmacht – und damit dreimal so viel wie der auf Platz zwei rangierende Euro. Diese geldpolitische Dominanz gibt den Vereinigten Staaten eine einzigartige Macht.
Die Dollar-Dominanz gibt den Amerikanern enorme Vorteile. Der wichtigste: Die USA kommen so billig zu Geld wie kein anderer Staat. Die USA können aufgrund der herausragenden Stellung ihrer Währung Kredite deutlich billiger aufnehmen. Denn US-Staatsanleihen sind aufgrund ihrer vermeintlichen Sicherheit immer begehrt. Und die tiefen Zinsen gelten nicht nur beim Schuldenmachen des Staates, sie gelten für alle Amerikaner, die sich billiger Häuser kaufen können oder was ihr Herz gerade begehrt.
Die Vereinigten Staaten konnten sich in Situationen wie der Pandemie oder in Finanzkrisen auch immer leicht Geld leihen. Allein die nun wieder – diesmal ohne Not oder Krise – auf neue Rekorde gehobenen Schulden werfen die Frage auf, ob die US-Anleihen wirklich noch attraktiv bleiben können.
Ray Dalio, der Gründer von Bridgewater Associates, dem grössten Hedge-Fund der Welt, und Autor des Buches «How Countries Go Broke» (Wie Länder pleitegehen), sagte diese Woche in einem Interview mit der «Financial Times»: Die USA müssten nächstes Jahr 12 Billionen Dollar aufnehmen, also 12 000 Milliarden Schulden verkaufen. Doch «dafür gibt es keine ausreichende Nachfrage». Dalio hat schon manche Finanzkrise vorausgesehen. Auch jetzt glaubt er an kein gutes Ende der Entwicklungen.
Der Dollar war bis heute auch stets ein wichtiges politisches Druckmittel. Dass die Vereinigten Staaten die Infrastruktur kontrollieren, über die der grösste Teil des weltweiten Handels abgewickelt wird, gibt ihnen ein enormes Machtinstrument in die Hand. Und sie wissen es zu nutzen. Beispiel: Iran.
2006 hatte die Administration von George W. Bush damit begonnen, Irans Banken Stück für Stück aus dem internationalen Finanzsystem zu drängen. Dies wäre ohne die Dominanz der USA über das Welthandelssystem nicht möglich gewesen. Die Sanktionen liessen die iranische Wirtschaft abstürzen und brachten das Regime letztlich an den Verhandlungstisch. Diese führten zum Atomabkommen, das die nuklearen Ambitionen Teherans über Jahre einhegte – bis Donald Trump es 2018 aufkündigte und die Sanktionen wieder einführte.
Auch nach Russlands Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 nutzten die Vereinigten Staaten ihre Macht – im Verbund mit den Emittenten anderer Reservewährungen wie der Europäischen Union, dem Vereinigten Königreich und Japan – um weitreichende Sanktionen gegen russische Banken und sogar die Zentralbank in Moskau zu verhängen. Kein Wunder, bezeichnet Wladimir Putin den Dollar als «Waffe». Dass er weiterhin Krieg gegen die Ukraine führen kann, liegt daran, dass er den Chinesen das russische Öl zu Discountpreisen verkaufen kann.
Diese schauen ihrerseits mit Argusaugen auf das amerikanische Druckmittel, will sich Peking dereinst doch das abtrĂĽnnige Taiwan einverleiben.
Für China und andere nichtwestliche Staaten ist die Dominanz des Greenbacks ein Ärgernis. Seit Jahren arbeiten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – Brics genannt –, daran, alternative Strukturen aufzubauen, um die Weltwirtschaft vom Dollar unabhängig zu machen. Ziel ist es auch, ihre Volkswirtschaften vor potenziellen Sanktionen der USA zu schützen.
Im vergangenen Jahr beschlossen sie, eine eigene Reservewährung zu kreieren, gestützt auf einen Korb ihrer Landeswährungen. Am Gipfel in Rio de Janeiro an diesem Wochenende wird dies indes kaum ein Thema sein. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva will offenbar keine Konfrontation mit dem Westen. Xi Jinping und Wladimir Putin bleiben dem Anlass fern.
Experten sind skeptisch, dass ein solches Unterfangen überhaupt Erfolg haben kann. Und auch sonst zeichnet sich kein Kandidat dafür ab, den Dollar in der absehbaren Zukunft zu ersetzen. «Ich sehe keinen ernstzunehmenden Rivalen am Horizont», sagt der Wirtschaftsprofessor Barry Eichengreen von der University of California. «Weder der Euro noch der chinesische Renminbi sind derzeit in der Lage, den Dollar als Weltreservewährung abzulösen.»
Dass die US-Währung ein mächtiges Instrument im Werkzeugkasten der amerikanischen Aussenpolitik ist, ist keine neue Erkenntnis. «Der Dollar ist unsere Währung, aber er ist euer Problem», hatte Amerikas damaliger Finanzminister John Connally bereits im Herbst 1971 an einer Sitzung der G-10-Staaten gesagt, kurz nachdem der damalige Präsident Richard Nixon die Goldbindung des Dollars beendet hatte.
Dieser Schritt ging als Nixon-Schock in die Geschichte ein. Er beendete das Währungssystem, wie es in Bretton Woods, New Hampshire, von den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut worden war: mit dem Dollar als globaler Ankerwährung, deren Wert ans Gold gebunden war, und festen Wechselkursen für alle anderen Währungen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten Länder ihre Dollarreserven in die USA bringen können, und die Vereinigten Staaten gaben ihnen Gold dafür. Der Dollar war so wertvoll wie Gold.
Doch Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre geriet das System an seine Grenzen. So mancher Staatsmann sah Bretton Woods als zu amerikafreundlich an. Frankreichs Präsident Charles de Gaulle meldete früh Zweifel an, ob die USA tatsächlich immer ausreichend Goldreserven vorhielten, um jederzeit Dollars umtauschen zu können. Tatsächlich drucken die USA in einer boomenden Weltwirtschaft bereits viel mehr Dollar, als sie in Gold hätten umtauschen können. Das Land hätte kaum alle Dollarreserven in Gold auszahlen können.
An einem Sommertag im August 1971 fuhr ein französisches Kriegsschiff aus den Nebeln des Atlantiks in den Hafen von New York. Es brachte keine Munition, dafür viel Stauraum. Denn die Franzosen waren gekommen, um etwas abzuholen: die Goldreserven der Grande Nation, die in den Safes der Federal Reserve Bank von New York schlummerten. Kurz darauf forderte auch das Vereinigte Königreich von der US-Regierung, 3 Milliarden Dollar in Gold von Fort Knox nach New York zu verlegen. Zwei der grössten Volkswirtschaften der Welt hatten das Vertrauen in das bestehende Währungsregime verloren. Das Weisse Haus musste handeln.
So mancher Analyst sah in dem Nixon-Schock den Anfang vom Ende der amerikanischen Dominanz der Weltwirtschaft. Doch es sollte anders kommen.
Denn die Amerikaner fanden schon bald einen neuen Weg, um ihre Vorherrschaft auf den Weltfinanzmärkten sicherzustellen. Als wenige Jahre nach dem Schock die Ölkrise die amerikanische Wirtschaft fest im Griff hatte, handelte der Finanzminister William Simon mit dem Königreich Saudiarabien einen Deal aus: Als Gegenleistung für militärischen Schutz erklärte sich Riad bereit, sein Öl künftig in Dollar abzurechnen. Bald schlossen sich die anderen Opec-Länder an – der Petrodollar war geboren. Und er zementierte die Bedeutung der amerikanischen Währung weit über die Tage des Goldstandards hinaus. Bis heute.
Kenneth Rogoff, Harvard-Professor und früherer Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, sieht zwar noch nicht das Ende der Dominanz des Dollars. Doch in seinem kürzlich erschienenen Buch über sieben Jahrzehnte globaler Finanzwirtschaft vertritt er die These, dass der Dollar schon seit einer Weile an Bedeutung verliere und die Zinsen sowie die Inflation stiegen. Dieser Niedergang beschleunige sich, und Trump sei eine Art Katalysator, ergänzt er in diesen Tagen in Interviews. Teile der Welt bewegen sich weg vom Dollar.
Der Titel von Rogoffs Buch heisst «Our Dollar, Your Problem», in Anlehnung an das berühmte Zitat von Finanzminister Connally. Im Interview mit der «Harvard Gazette» erklärte Rogoff, der Titel sei letztlich auch ironisch gemeint. «Nachdem wir uns vom Gold getrennt hatten, verloren wir eine Art Preisanker.» Nixon habe danach begonnen, den damaligen Fed-Chef brutal unter Druck zu setzen, ähnlich wie dies heute Trump mit Powell mache. Das Fed habe darauf eine Menge Dollar gedruckt und die schlimmste Inflation verursacht, die die USA seit langem erlebt hatten. Obwohl Connally also sagte: «Es ist euer Problem», erwies sich die daraus resultierende Inflation auch für die USA als eine Katastrophe.
Ein Artikel aus der «»
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