Arthur C. Brooks, a Harvard professor, argues that happiness isn't a matter of luck but a skill requiring investment and strategic effort. He emphasizes the importance of shifting from an "I-curve" of ambition to a "we-curve" of interpersonal relationships as we age.
Brooks shares his personal journey of unhappiness despite professional success, highlighting how his ambition led to neglecting relationships and ultimately understanding that true fulfillment comes from contributing beyond oneself.
Brooks critiques the modern culture of instant gratification, suggesting that it contributes to a sense of dissatisfaction and hinders the development of genuine happiness. He advocates for a rebellion against this "anti-boredom economy" and suggests that schools should embrace intellectual challenges rather than prioritizing safe spaces.
Brooks notes that while happiness follows a U-curve in life, recent research suggests this is shifting to a J-curve. He explains the transition from fluid intelligence to crystallized intelligence, emphasizing the importance of adapting to this change and finding fulfillment in mentorship and contribution.
Jeder Lebensabschnitt habe sein eigenes Rezept, sagt der Harvardprofessor und Sozialwissenschafter Arthur C. Brooks. Er weiss das. Nicht zuletzt, weil er selber lange unglücklich war.
«NZZ am Sonntag»: Herr Brooks, ich habe für dieses Interview zig Anfragen gestartet und fast zwei Jahre darauf gewartet. Sind Sie so beschäftigt oder bloss sehr wählerisch?
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Arthur C. Brooks: Beides. Ich bekomme tatsächlich Tausende von Anfragen für Interviews, Konferenzen und Vorträge. Mittlerweile kenne ich mich aber gut genug, um zu wissen, dass mein Hirn sich sehr schnell von den sogenannten hedonischen Hotspots beeinflussen lässt. Das heisst, es verführt mich, alles zu tun, was sofortige Belohnung verspricht. Ruft also jemand an und lädt mich zu einem Event in Alaska ein, sage ich viel zu schnell zu. Ich will, dass die Leute denken: Wow, was für ein cooler Typ dieser Arthur Brooks doch ist! Deshalb habe ich die Planung abgegeben. Meine CEO Candice Gayl entscheidet über meine Engagements nach strengen Richtlinien.
Und die wären?
Erstens muss das Interview oder der Vortrag der grösseren Sache dienen. Ich will Menschen inspirieren, nicht desillusionieren. Also kein Sarkasmus, kein Klagen über den Zustand der Welt und Trump. Zweitens mache ich nur noch das, was nach einem Abenteuer klingt, nach etwas, das meine Neugierde befriedigt oder mich herausfordert. Erst an dritter und letzter Stelle kommt das Geld. Ich habe gute Leute, welche die knappe Resource Zeit für mich schützen. Ich weiss nicht, was sie alles absagen. Ich erfahre selber nur von den Engagements, die ich auch wirklich mache.
Sie schützen sich damit vor Ihrer eigenen Arbeitssucht?
Ja. Ich sorge damit aber auch für mein Glück. Ich bin mir durchaus bewusst, dass man sich das leisten können muss. Dennoch: Applaus und Geld machen nicht glücklich. Zumindest nicht nachhaltig. Das Engagement für etwas jenseits des eigenen Bauchnabels hingegen schon. Ich habe das auf die harte Tour gelernt, und ich lerne täglich dazu.
Arthur C. Brooks, 61, ist Sozialwissenschafter und Professor an der Harvard Business School, wo er Glücklichsein, Führung und soziales Unternehmertum lehrt. Brooks ist Autor von 13 Büchern, unter ihnen Bestseller wie: «Der beste Rat für ein gutes Leben». Seine wöchentliche Kolumne «How to Build a Life» im Magazin «The Atlantic» hat eine grosse Fangemeinde, genauso wie seine Podcasts. Brooks begann seine Karriere als klassischer Hornist, entschied sich Mitte 20 aber für eine wissenschaftliche Karriere. Von 2009 bis 2019 war er Präsident des American Enterprise Institute, einer der weltweit einflussreichsten Denkfabriken.
Waren Sie so unglücklich?
Sagen wir es so: Ich bin nicht glückbegabt. Ich komme aus einer Familie, in der eher Schwermut und Alkohol regiert haben. Ich war vom Ehrgeiz zerfressen, suchte krampfhaft nach Liebe und Anerkennung. Als professioneller Hornist bin ich mit 22 vor lauter Erschöpfung in der Carnegie Hall in New York von der Bühne gefallen.
Sie waren erschöpft, weil Sie der beste Hornist werden wollten?
Ich wollte als Musiker Erfolg und musste mir eingestehen, es reicht nicht für die Solokarriere.
War die Erkenntnis lehrreich?
Im Nachhinein schon. Damals aber wollte ich der Welt einfach auf einem anderen Weg zeigen, was ich kann. Ich studierte Sozialwissenschaften, promovierte, publizierte wie verrückt, lehrte an mehreren Universitäten und wurde dann Mitte 40 Präsident der einflussreichen Denkfabrik American Enterprise Institute.
Sie haben es an die Spitze geschafft.
Aber wirklich glücklich war ich nicht. Ich hatte kaum Freunde, wenig Zeit für die Familie. Ich weiss noch, dass ich meine Frau einmal im Frust fragte, warum sie mich nicht mehr wertschätze, da ich doch alles für sie und die Kinder tue. Sie antwortete: Je mehr du für meine Anerkennung tust, desto weniger Zeit verbringst du mit mir. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen: Der Satz war im Kleinen die Zusammenfassung meiner Forschungsergebnisse über das Glück im Grossen.
Was also würden Sie Ihrem 20-jährigen Ich raten?
Dass man nicht herausstechen muss, um liebenswürdig zu sein. Wenigstens nicht permanent. Und dass Glück keine Formel ist, sondern eine Fähigkeit, in die man investieren muss.
Die heutige Jugend ist da besonders gefordert, offenbar ist sie unglücklicher als ihre Eltern, Grosseltern, sogar Urgrosseltern.
Genau. Jahrzehntelang machte das Glück laut der Wissenschaft im Verlauf eines Menschenlebens eine U-Kurve. In jungen Jahren war es hoch, dann nahm es in der Lebensmitte ab und im Alter langsam wieder zu. Laut neuen Studien ist das U zu einem J geworden. Warum das so ist, weiss niemand. Es gibt noch keine empirischen Studien. Ich vermute aber, dass unsere Kultur, welche die Befindlichkeit ins Zentrum stellt, dazu beigetragen hat.
Soll man denn nicht seiner Befindlichkeit oder dem Herzen folgen?
Die meisten folgen nicht ihrem Herzen, sondern ihrem limbischen System. Jede unangenehme Emotion wird heute sofort bekämpft. Langweile wird mit dem Smartphone oder Netflix ausgemerzt. Frust mit Shopping aus der Welt geschafft. Es ist heute sehr einfach geworden, jedes Bedürfnis sofort zu befriedigen. Jeder Kränkung aus dem Weg zu gehen. Glück aber gibt’s nicht schnell, schnell.
Was sollte man stattdessen tun?
Den Vorteil nutzen, den der Mensch gegenüber dem Tier hat. Der Natur ist es egal, ob wir glücklich sind. Aber sie hat uns neben dem limbischen System auch mit dem präfrontalen Kortex ausgestattet. Im Gegensatz zum Hund können wir unsere Instinkte und Emotionen reflektieren. Wir sind dazu befähigt, nachzudenken, zu diskutieren, Schönheit zu erkennen und Dissonanzen auszuhalten. Nie ist die Intelligenz fluider, die Innovations- und Konzentrationsfähigkeit grösser als in jungen Jahren. Jugendliche brauchen deshalb Schulen und Universitäten, die das Gegenteil eines sogenannten Safe Space sind. Sie müssen sich in die intellektuelle Gefahrenzone begeben. Triggerwarnungen machen bloss bequem und risikoscheu.
Jetzt klingen Sie wie ein alter weisser Mann.
Ich klinge nicht nur so, ich bin ein alter weisser Mann. Und ich bin es gerne. Auch alte weisse Männer brauchen übrigens keine Safe Spaces. Ich lasse mich gern herausfordern. Und auch eines Besseren belehren. Meine Aussagen, was das Glück in den verschiedenen Lebensaltern angeht, stützen sich auf die derzeitig gültigen Forschungsdaten. Und diese sagen: Langeweile beziehungsweise Zeit, die nicht mit Ablenkung gefüllt ist, aktiviert im Hirn das «default mode network», das es für den inneren Denkprozess und die Reflexion über Sinnfragen braucht. Sie sind wichtig. Denn im Unterschied zum Hund realisiert der Mensch eben auch, dass andere schöner, klüger, schneller sind und alles vergänglich ist. Das ist schmerzhaft, aber urmenschlich und braucht keinen Psychiater.
Was raten Sie Ihren Studentinnen und Studenten an der Harvard University im Kurs «Managing Happiness»?
Wenigstens einmal am Tag das Handy für ein, zwei Stunden zu Hause zu lassen, spazieren zu gehen und über eine wichtige Frage nachzudenken. Zum Beispiel: Warum stehe ich morgens auf? Es gibt keine richtigen und falschen Antworten, wichtig ist bloss, was der Gedankengang an die Oberfläche spült. Ausserdem rate ich jungen Menschen, Nächte durchzutanzen, tagelang mit Freunden zu philosophieren, sich zu verlieben, Körbe zu bekommen, vor Liebeskummer zu heulen wie ein Schlosshund, zu leben und zu leiden statt auf einer App auf ein Match zu warten, das auf ein paar ähnlich beantworteten Fragen und dem Äusseren beruht.
Die Generation Z verabschiedet sich gerade en masse von Dating-Apps.
Gut so – vielleicht ist das der Anfang der dringend nötigen Rebellion gegen die Anti-Langweile-Ökonomie. Sie ist schuld an der Sinnkrise der Jugend. Und nicht: die Sinnkrise am Erfolg von Netflix und Co.
Und was brauchen alte weisse Männer und Frauen, um dem Glück näher zu kommen?
Ich erinnere sie daran, dass das englische Wort für Mensch «human being» ist, nicht «human doing». Das Geheimnis vorab in der zweiten Lebenshälfte heisst Sein, nicht Machen. Mit etwa 39 erreicht die fluide Intelligenz ihren Höhepunkt, von da an geht’s abwärts. Geistig und körperlich. Das gilt es zu akzeptieren.
Mitte 40 wird man von den Jungen überholt und rutscht in die Midlife-Crisis?
Viele denken, sie hätten einen Burnout, aber wahrscheinlich ist es bloss diese strukturelle Veränderung im Gehirn. Sie hat auch eine positive Seite: Im Schatten der ersten fluiden Intelligenzkurve hat sich die zweite, die kristalline Intelligenz langsam aufgebaut und nimmt bis Ende 50 stetig zu. Sie beruht auf Wissen, Erfahrung und dem Erkennen von Strukturen. Diese Form der Intelligenz passt besser zum angegrauten Lehrer oder zur Professorin mit Brille als zum dynamischen Unternehmer. Wir springen von der ehrgeizigen Ich-Kurve zur zwischenmenschlich orientierten Wir-Kurve.
Müssen wir also alle mit 50, so wie Sie, das Ruder noch einmal herumreissen und die Karriere wechseln?
Nein. Man kann auch innerhalb eines Jobs den Fokus wechseln, den jüngeren Kollegen ein Mentor oder eine Mentorin sein. Ich bin von meiner Direktorenposition zurückgetreten, weil mir die Recherche und der Erfolg meines Buches über das Glück in der zweiten Lebenshälfte die Chance gaben, das, was ich herausgefunden hatte, auch tatsächlich umzusetzen. Ich hatte eine Höllenangst davor, den hart erarbeiteten Erfolg gegen die Ungewissheit einzutauschen. Aber der unaufhaltsame Verfall der eigenen Brillanz ist das Beste, was einem Erfolgsjunkie passieren kann. Er oder sie hat dann einen Grund, auf die zweite Kurve aufzuspringen.
Macht die zweite Intelligenzkurve glücklicher?
Zumindest ist das meine Erfahrung, die ebenfalls von der Forschung gestützt wird: Sie zeigt, dass das Glück nach dem Tief der mittleren Jahre lange stetig steigt. Es ist die Zeit des Seins, des Nicht-mehr-alles-Müssens. Und es ist die Zeit der Ernte. Kinder etwa machen erst richtig glücklich, wenn sie ausgezogen sind. Und Grosskinder erst! Sie sind das ganz grosse Glück.
Haben die Menschen das vergessen?
Sie leben nicht mehr mit den Alten zusammen. Ausserdem steht im Zeitalter der Gefühle, der schnellen Gratifikation eben der Instantgewinn im Vordergrund. Nachhaltige Investitionen ins Glück gehen vergessen. Glück ist einfach zu verstehen, aber schwierig zu erreichen. Nur zu wissen, wie man glücklich wird, reicht eben nicht. Man muss sein Leben strategisch und konsequent danach ausrichten. Immer wieder neu.
Wie sieht die beste Glücks-Anlagestrategie aus?
Ich kann nicht versprechen, dass ich der beste Anlageberater bin, aber die Basis des Glücks-Portfolios besteht aus zwischenmenschlichen Beziehungen. Egal ob Freunde oder Familie, wer Nähe pflegt, kann nicht falschliegen. Damit sind tiefe Freundschaften gemeint, die tragen. Die Deal-Freunde, die Karrieremenschen oft haben, fallen nämlich zusätzlich zum Ansehen meist weg, sobald diese den Platz in der Hierarchie verlieren. Das erklärt, warum Menschen, die einst viel Macht genossen, laut Studien nach der Pensionierung frustrierter sind.
Und wie diversifiziert man das Glück im Portfolio?
Mit der Konzentration auf das, was ist, nicht auf das, was sein könnte. Natur und Schönheit sind die besten Lehrmeister gegen die Tyrannei des Vergleichens. Nicht der perfekte Sonnenuntergang für Instagram zählt, sondern das regelmässige Eintauchen in den Wald, der am nächsten liegt. Oder der Besuch eines Konzerts, einer Ausstellung – alles, was unsere Sinne nährt, führt vom Machen ins Sein. Zu den Blue Chips des Glücks gehört auch die Transzendenz. Es muss nicht der Glaube an Gott oder Allah sein. Man kann auch Philosophen lesen oder meditieren. Hauptsache, der Ich-Fokus wird dabei überwunden. Schliesslich ist da noch der Schmerz.
Glück ist masochistisch?
Kein Mensch kommt durchs Leben, ohne etwas zu verlieren. Eine Liebe, die Eltern, den Job oder die Gesundheit. Der Schmerz darüber ist die Quelle des Wachstums.
Das klingt jetzt sehr religiös
Mag sein. Ich stehe dazu, dass ich meinen Glauben praktiziere. Ohne zu behaupten, dass er der einzige Weg zu dieser Erkenntnis ist. Alle spirituellen Konzepte, auch die Philosophie, suchen in der menschlichen Endlichkeit, im Vergehen, einen Sinn. Der Tod lehrt den Menschen das Leben.
Heute wollen aber immer mehr Menschen dem Tod möglichst lange entgehen
Ich weiss. Wann immer ich mit jemandem über Longevity diskutiere, frage ich deshalb zuerst nach dem Warum. Die meisten können das Wie sehr detailliert beschreiben. Sie reden von Sport, Kältekammer, Ernährung. Kaum nachgedacht haben sie über die Frage, warum sie das Leben verlängern wollen.
Warum?
Weil das Warum das Wie obsolet macht. Wer auf einer Wanderung stets Angst hat, über die nächste Wurzel zu stolpern, kann die Aussicht nicht geniessen, da er mit dem Verhindern des potenziellen Sturzes besetzt ist. Oder anders gesagt: Nur wer keine Angst mehr hat, etwas zu verlieren, kann dieses etwas auskosten. Das gilt für die Liebe wie für das Leben. Und das lehrt uns der Schmerz.
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