Agnes von Ungarn, Habsburger, Schweizer Geschichte


Agnes von Ungarn, a Habsburg princess, played a pivotal role in medieval Swiss history, founding the Königsfelden monastery and acting as a significant mediator despite conflicting historical portrayals.
AI Summary available — skim the key points instantly. Show AI Generated Summary
Show AI Generated Summary

Die wichtigste Frau des Schweizer Mittelalters war eine Habsburgerin

Agnes von Ungarn galt in der Schweizer Geschichtsschreibung als «listiges Weib» und grausame Rächerin. Doch sie stiftete das Kloster Königsfelden, vermittelte Frieden und war eine herausragende Repräsentantin ihrer mächtigen Familie.

Der Bau und die Ausstattung der Klosterkirche Königsfelden sind eng mit dem Namen Agnes von Ungarn verbunden. Gemeinfrei

Die Klosterkirche Königsfelden ist heute ein Kulturdenkmal ersten Ranges im Kanton Aargau, berühmt für ihre Glasgemälde aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Das Kloster fiel bei der Eroberung des Aargaus im Jahr 1415 an Bern, das die Kirche in nachreformatorischer Zeit mitunter als Getreidemagazin nutzte. Ab diesem Sommer erstrahlt die Kirche nach einer gründlichen Renovation wieder in altem Glanz.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Der Bau und die Ausstattung der Klosterkirche sind eng mit dem Namen Agnes von Ungarn verbunden, der Tochter des an dieser Stelle am 1. Mai 1308 ermordeten habsburgischen Königs Albrecht. In der eidgenössischen Geschichtsschreibung nimmt Agnes von Ungarn eine zwiespältige Rolle ein: Der Chronist Aegidius Tschudi bezeichnete sie als eine Frau, die gegenüber den Mördern ihres Vaters «mehr dann unmenschlich» gewütet und gegenüber den Eidgenossen mit «listiger Tücke» politisiert hatte. Auch Schiller stellte sie in seinem Drama «Wilhelm Tell» als grausame Rächerin dar. Für die Habsburger Historiografen hingegen war sie eine fast heilige Königin, die nach ihrer frühen Witwenschaft und dem Mord an ihrem Vater ihr Leben Gott und dem Andenken ihrer Familie widmete.

Wer war diese Frau, die eine entscheidende Rolle in der Schweizer Geschichte des Mittelalters spielte?

Früh verwitwet

Agnes ist im Jahr 1280 geboren, wahrscheinlich im Aargau, den Stammlanden der Habsburger. Als Dreijährige übersiedelte sie 1283 mit der Familie nach Wien, wo ihr Vater Albrecht das Herzogtum Österreich antreten konnte. Die Übernahme der österreichischen Herrschaften war den Habsburgern gelungen, nachdem sich Rudolf, der Vater Albrechts, als König des Heiligen Römischen Reichs durchgesetzt hatte. Damit lag der Fokus habsburgischer Politik schon früh auf den Ostländern des Reichs: Böhmen, Österreich, Steiermark, Kärnten und Ungarn. Herzog Albrecht stand mehrfach in kriegerischen Konflikten vor allem mit den ungarischen Nachbarn. Als Befriedungsstrategie setzte er seine Tochter Agnes ein. 1296 wurde eine Eheverbindung mit König Andreas III. von Ungarn vereinbart, anderthalb Jahre später Hochzeit gefeiert, bereits im Januar 1301 aber war Agnes Witwe, mit nicht einmal 21 Jahren. Ihr Vater Albrecht war König geworden, die Familie stand auf dem vorläufigen Höhepunkt ihres Einflusses.

Agnes nannte sich zeitlebens «von Ungarn», und sie wurde für damalige Verhältnisse unglaubliche 84 Jahre alt, sah vier Generationen von Habsburgern. Sie erlebte aber auch die Niederlage ihres Bruders Leopold am Morgarten und den Aufstieg der frühen Eidgenossenschaft. Im Fokus ihres langen Lebens standen der Bau des familiären Erinnerungsortes Königsfelden und ihre Rolle als Repräsentantin der Habsburger Familie in den sogenannten Vorlanden, dem habsburgischen Besitz westlich des Arlbergs.

Die Schlacht bei Morgarten, 1315: Herzog Leopold von Österreich wird durch die Hilfe eines landeskundigen Mannes aus der Schlacht gerettet. Ullstein / Getty

Investment in ein Kloster

In der böhmischen und der ungarischen Verwandtschaft der Habsburger gab es im Lauf des 13. und des 14. Jahrhunderts zahlreiche Stiftungen von Minoritenklöstern. Die Franziskaner und mit ihnen die Klarissen waren zum Modeorden der europäischen Dynastien geworden. Mehrere Herrscherinnen, die nach ihrer Verwitwung Klöster stifteten, wurden später gar heiliggesprochen. Es scheint, dass Agnes nach ihrer Verwitwung selbst eine solche Klosterstiftung ins Auge fasste und nach der Ermordung ihres Vaters zusammen mit ihrer Mutter in Königsfelden realisierte – nach dem damals üblichen Konzept eines Doppelklosters von Franziskanern und Klarissen. Agnes baute sich zwar unmittelbar neben dem Kloster einen Witwensitz, lebte ab etwa 1316 bis zu ihrem Tod dort und förderte das Kloster massgeblich, trat aber nicht ins Kloster ein.

In der Dynastie nahm sie bald als Familienälteste eine besondere Rolle ein, insbesondere gegenüber ihren teilweise deutlich jüngeren Brüdern. Und: Sie entzog sich einer Wiederverheiratung, spielte stattdessen in der Politik gegenüber Ungarn und Böhmen nach wie vor eine Rolle. Sie konnte weiterhin ihr Heiratsgut, die Herrschaft Pressburg (einen grossen Teil der heutigen Slowakei), nutzen. Der in den Chroniken kolportierte sagenhafte Reichtum der Agnes gründete vor allem in der Nutzung dieser Herrschaft. Und diesen Reichtum investierte sie zu einem grossen Teil in Königsfelden, das sie nicht nur zum reichsten Kloster im Bistum Konstanz machte, sondern auch zu einer wichtigen Grablege und zum Erinnerungsort für die Familie.

In Königsfelden wurde eine ganze Reihe von Habsburgern ihrer Generation begraben. Die Gruft wurde schliesslich 1770 aufgehoben, die Überreste nach St. Blasien überführt; von dort gelangten sie 1806 ins Kloster St. Paul in Kärnten – wo sie heute noch sind. Ihre Brüder und Anverwandten waren auch Stifter der Glasgemälde im Chor, die heute in rekonstruierter Form noch besichtigt werden können. Königsfelden war in der Zeit von Agnes neben dem Vogteisitz Baden zentraler Ort in den habsburgischen Vorlanden, ein Gegenpol zum Machtzentrum Wien.

Family First

Die zeitgenössischen Chronisten lobten Agnes von Ungarn nicht nur als grosszügige Unterstützerin eines Klosters und als heiligmässig lebende Frau, sondern auch als friedliebende Politikerin, die Konflikte schlichtete und Kriege beendete. Diese Rolle wurde in der eidgenössischen Geschichtsschreibung im 16. Jahrhundert jedoch ins Gegenteil verkehrt: Eine positive und entscheidende Rolle der Habsburger – und dazu noch einer Frau! – passte nicht in die Erzählung.

Tatsächlich agierte Agnes als Vermittlerin in den Konflikten zwischen dem aufstrebenden Stadtstaat Bern und dem Adel (Gümmenen- und Laupenkrieg) sowie im Krieg zwischen der Stadt Zürich und dem habsburgisch gesinnten Adel nach der sogenannten Mordnacht von Zürich 1350. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass Agnes letztlich vor allem die familiären Interessen vertrat, im Konflikt mit Bern die Interessen ihrer kyburgischen Verwandtschaft, im Konflikt mit Zürich diejenigen ihrer eigenen Familie und ihrer Verwandten in Rapperswil. Umso erstaunlicher ist, dass sie – obwohl Partei ihrer habsburgischen Verwandten – überhaupt als Vermittlerin angefragt wurde. Dies hing wohl wieder mit ihrem «heiligmässigen» Leben in Königsfelden zusammen, wie von den zeitgenössischen Chronisten herausgestrichen wird. Aegidius Tschudi durchschaute die Doppelrolle der Agnes als friedliebende Frau und als Vertreterin der Habsburger – und machte sie zum «listigen Weib», das die Interessen der Familie in den Mittelpunkt stellte: «Family first».

Dynastie am Wendepunkt

Die Familienpolitik entwickelte sich in diesen Jahrzehnten zum Drama. Nicht nur war der Mord an ihrem Vater Albrecht eine familiäre Katastrophe. Der Versuch ihres Bruders Friedrich, 1314 wieder zur Königskrone zu gelangen, scheiterte nach einem langjährigen Konflikt mit dem Gegenkönig Ludwig von Bayern. Die Niederlage, die sich ihr Bruder Leopold bei den Schwyzern am Morgarten holte, war dabei auch nicht hilfreich. Bis 1330 waren ihre Brüder Friedrich, Leopold und Heinrich tot, Otto hatte zwei kleine Söhne, die aber ebenfalls im jugendlichen Alter verstarben, und Albrecht hatte sehr lange keine Nachkommen. Der Fortbestand der Dynastie war zeitweise gefährdet. Albrecht weilte im Oktober 1337 bei Agnes in Königsfelden und soll sich mit ihr über das Problem des fehlenden Nachwuchses beraten haben. Sie empfahl ihm eine Wallfahrt nach Aachen und eine grosszügige Stiftung, mit Erfolg.

Porträt von Albrecht, V. Graf von Habsburg, 1255 - 1308, als Albrecht I. Herzog von Österreich und römisch-deutscher König. Heinz-Dieter Falkenstein / Zoonar / Imago

Ihr achtzehn Jahre jüngerer Bruder Albrecht konnte die Dynastie schliesslich stabilisieren. Er residierte grösstenteils in Wien, gilt in der österreichischen Geschichtsschreibung als der erste «Österreicher» in der Familie. Was aber auch hiess, dass seine Schwester in den habsburgischen Vorlanden weitgehend auf sich allein gestellt war.

Mithilfe einer Reihe von wichtigen Dienstleuten war Agnes während fast dreissig Jahren Repräsentantin der Familie im Westen. Bei ihrem Tod im Sommer 1364 stand die Dynastie wieder auf festen Füssen – und baute in den folgenden Jahrhunderten ihre Macht immer weiter aus. Mit der Eidgenossenschaft indes herrschte ein Frieden, der sich bald als trügerisch erweisen sollte: Die habsburgische Herrschaft im Aargau brach bis 1415 zum grossen Teil zusammen; Königsfelden, das Kloster Muri und die Stammburg Habsburg gingen verloren.

Agnes von Ungarn war zu ihrer Zeit die herausragende Repräsentantin der Familie. Erst Margarethe von Österreich, die Tochter von Kaiser Maximilian, erreichte zweihundert Jahre später wieder eine vergleichbare Stellung. Und in der eidgenössischen Geschichte war Königsfelden mehrere Jahrzehnte lang ein Referenzort, einzig weil dort mit der Habsburgerin die wichtigste Vertreterin der Familie residierte.

Bruno Meier ist Historiker und Verleger aus Baden. Eben erschienen ist seine Biografie: «Agnes von Ungarn 1280–1364. Die einflussreichste Habsburgerin des Mittelalters». Verlag Hier und Jetzt, Zürich 2025. Fr. 39.–.

Was this article displayed correctly? Not happy with what you see?

Tabs Reminder: Tabs piling up in your browser? Set a reminder for them, close them and get notified at the right time.

Try our Chrome extension today!


Share this article with your
friends and colleagues.
Earn points from views and
referrals who sign up.
Learn more

Facebook

Save articles to reading lists
and access them on any device


Share this article with your
friends and colleagues.
Earn points from views and
referrals who sign up.
Learn more

Facebook

Save articles to reading lists
and access them on any device